Eine begehrte Kategorie in jeder Sammlung sind wohl die Behördenmodelle, und insbesondere die, die eben nicht jedermann erstehen kann. Speziell bezogen auf die Clejuso Nr. 9 hat sich jedoch ein Workaround aufgetan. Nicht über wilde Wege des Re-Imports und nicht über verschlungene Wege im Bekanntenkreis. Nein, ich habe als Deutscher in Deutschland eine Nr. 9 erworben ohne jeglichen Nachweis, einer Behörde oder einem Sicherheitsdienst anzugehören. Der einzige Aufwand bestand im handwerklichen Geschick und eines gewissen Bestandes an Maschinen und Werkzeugen.

Dieser Artikel schildert den Stand im Juli 2022. Es könnte sein, wenn diese Anleitung hier publik wird, auch die Quelle für diesen technischen Workaround versiegen wird. Aus diesem Grund hat sich der Autor dieser Zeilen gleich noch ein zweites Paar für den späteren Umbau gesichert.
Persönlich kenne ich in Deutschland kein Gesetz, welches einen expliziten Verkauf bestimmter Fesselwerkzeuge und -materialien verbietet (es soll auch Länder geben, in denen selbst Handschellen nur mit Waffenbesitzkarte erwerbbar sind). Daher vermute ich eher vertragliche Bedingungen. Und da die Trainings-Version der Nr. 9 (derzeit) frei erhältlich ist, wird meiner Einschätzung nach der Schlüssel der Dreh- und Angelpunkt sein. Es ist nachvollziehbar, dass nach Recht und Gesetz durchgeführte Festsetzungsmaßnahmen nicht unterlaufen werden sollen. Daher werde ich hier auch keine Daten oder Detailbilder des Schlüssels veröffentlichen. Die Abbildungen sind maximal so detailliert, wie sie auch im Internet von Dritten dargestellt sind. Sollten behördlich oder herstellerseitig trotzdem Einwände bestehen, bitte ich um Kontaktaufnahme über die im Impressum genannten Wege.
Während Behörden derzeit rund 85 Euro für eine 9er berappen müssen, liegt der Preis der verwendeten Trainigshandschelle bei 129 Euro pro Paar. Und dieses vor einem liegende in Materialwert umgesetzte Kapital anzubohren und zu zerlegen, hat etwas an Überwindung gekostet. Aber der Wille und die Neugier siegten letztendlich, gepaart mit der Zuversicht, keinen Ausschuss zu produzieren. Und gemessen am ersten Foto kann sich das Ergebnis eigentlich sehen lassen.

Es wird bei Gelegenheit nochmal ein separater Vorstellungsbeitrag der 9er-Trainigshandschelle erscheinen, genauso wie ein Vergleich zwischen der 9 und der 12A (so viele Unterschiede in den Maßen gibt es da nämlich gar nicht). Wer also nicht unbedingt und felsenfest eine 9er kaufen möchte, der ist auch mit einer 12A für derzeit rund 35 bis 40 Euro sehr gut beraten, wenn es nur um Material und Maße geht.
Bei der Eingangsuntersuchung meiner Trainigs-9er fiel mir sofort das Rändelrad auf. Dieses ist im Gebrauch in identischer Richtung und identischem Winkel wie bei einer richtigen 9er zu bedienen. Somit ein erster Hinweis auf eine mögliche technische Verwandtschaft. Was ich zuerst als eine Lötung vermutete, erwies sich unter dem USB-Mikroskop als eine Mini-WIG-Punktschweißnaht. Bei der Recherche nach Geräten, die diese Leistung erbringen, stieß ich u. a. auf das Lampert M280, welches offenbar im Modellbau eingesetzt wird. Übrigens existieren auch (offenbar ältere) Versionen der Trainigshandschelle, die stattdessen eine vergleichsweise große MAG-Schweißung/-Schmelze an gleicher Stelle aufweisen. Zum Beispiel besitzt auch das von mir zusätzlich gekaufte zweite Paar Trainingshandschellen diese Eigenschaft.

Nun gut, bisher wissen wir: diese Entriegelung der Trainigshandschelle fühlt sich identisch zur Behörden-Version an. Auch die drei parallel angeordneten Schlossfallen sehen ziemlich gleich aus. Ein Blick auf die Rückseite der Trainigshandschelle erhärtet den Verdacht, es könnte im Inneren ein regulärer Schlüssel enthalten sein, der sich aufgrund mechanischer Hindernisse nur nicht entfernen lässt. Stellte man sich bei obigem Bild noch zwei abgehende Schlitze vor: es wäre eine originale 9er.
Wenn nun dort ein Schlüssel verborgen ist, wie bekommen wir den raus? Das sofortige Fräsen mit Hoffnung auf eine ausreichende Freilegung würde wohl zu große Kollateralschäden verursachen, insbesondere zu einem Zeitpunkt, in dem der innere Aufbau nur gemutmaßt werden kann. Nicht entfernbare Späne innerhalb der Feinmechanik würden sich wohl negativ auf die weitere Verwendung nach Umbau auswirken. Bleibt also nur die Zerlegung.
Um Überraschungen vorzubeugen oder beim Aufbohren der Nietköpfe einen zu großen Bohrer zu verwenden, nahm ich mir die gängigen Industrienormen im Bereich DIN 660 bis 674 zur Hand. Spätestens bei der Bügelniete versagt diese Strategie, da sich Clejuso an keine mir bis dato bekannte Norm hält. Bei den Modellen 11, 12 und 19 waren es Nietdurchmesser von ca. 3,5mm – und (Spoiler!) bei der 9 ist dies ebenfalls so. Wobei der Durchmesser auch 9/64″ (ca. 3,6mm) betragen könnte. Aber finden Sie mal Vollniete in dieser Schaftstärke! Ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen. Es erforderte spätestens beim Zusammensetzen ein wenig Bastelei, dazu jedoch später mehr.

Es galt, anzufangen. Zuerst, wie immer, muss der Verschlussbügel raus. Ich überlegte anfangs, ihn aufgrund dieser besonderen Verschlussbügelniete verbaut zu lassen, dies hätte aber spätestens beim Festspannen auf dem Koordinatentisch für die nötigen Fräsarbeiten Ärger gemacht. Also raus damit! Ein passender Niet wird sich schon finden.

Ich entschied mich dafür, die maschinell vorgefertigte Seite anzubohren. Das manuell bearbeitete andere Ende scheint nicht lohnenswert aufgrund der mehrfachen, in unterschiedlichen Winkeln auftretenden Abplattungen der vermutlich getätigten Hammerschläge bei der Montage. (Kloppt da bei Clejuso tatsächlich einer den ganzen Tag mit einem dicken Fäustel diese Edelstahlniete platt?!)
Also: möglichst mittig ankörnen, mit einer 2,5er Bohrer loslegen. Da ich zu diesem Zeitpunkt den Durchmesser des Nietschafts nicht kannte, weitete ich die Bohrung Stück für Stück mit einem Handfräser und Rundaufsatz auf. Letztendlich blieb nur ein kleiner Materialsteg, der den Schlägen mit Hammer und Dorn nicht mehr standhielt.

Nach Entfernung der Verschlussbügelniete und dem Entriegeln der Schlossfalle lässt sich der Bügel entfernen. Das Entriegeln ist aufgrund des Aufziehschutzes notwendig.

Die Punktschweißnaht in der Mitte des Rändelrades habe ich wieder mit einem Handfräser Schicht für Schicht abgetragen, da die Tiefe der Aufschmelzung vorher unklar war. Irgendwann ließ sich das Rädchen entfernen. Und dann kam so etwas wie ein Schlüsselstumpf zum Vorschein. Schon in diesem Moment setze ich mein “q. e. d.” darunter (quod erat demonstrandum = was zu beweisen war, lat.).

Kommen wir noch einmal auf die Niete zu sprechen, diesmal die des Schlosskastens. Nach Studium der DIN hätte ich aufgrund des Kopfdurchmessers an seiner oberen Stelle von ca. 4,4mm einen 2,5mm Schaftdurchmesser erwarten können (wie bei den Modellen 11, 12, 19 und ggf. auch weiteren). Der 9er wurden jedoch, vermutlich aus Gründen der Stabilität und der Erfüllung der Technischen Richtlinie der Polizei, Edelstahlniete mit 3mm Schaftdurchmesser spendiert. Auch an dieser Stelle wird Clejuso wohl seine Speziallieferanten haben. Mit einer kleinen Drehmaschine lassen sich die herkömmlichen 3mm-Senkkopfniete jedoch recht einfach anpassen (Material an der Kopffläche abnehmen). Relevant wird doch dies beim Zusammenbau. Kommen wir zurück zum Zerlegen.
Idealerweise sucht sich der HSS-Co-Bohrer (alles andere wie z. B. normaler HSS-Stahl macht wirklich keinen Spaß!) man nach dem sauberen, mittigen Ankörnen einen zentralen weg durch den Senknietenkopf. Es gilt, möglichst viel vom Nietmaterial, aber möglichst nichts vom Material des Deckels oder des inneren Aluträgers zu entfernen. Hat man seine Sache gut gemacht, lässt sich der Nietkopf mit Hilfe eines in die entstandene Bohrung eingesteckten Dorns und leichtem hin und her Wackeln schnell entfernen. Ist die Bohrung aber zur Seite weggelaufen, weil vielleicht das Bohrfutter zu viel Spiel hat oder der Bohrständer zu sehr nachgibt unter mechanischer Belastung, muss man versuchen, den nötigen Materialabtrag mit einem Fräser zu bewerkstelligen. Aber egal wie man es versucht: die Hauptdevise dabei ist immer, das Material des Schlossdeckels möglichst nicht zu beschädigen.

Die Nietköpfe sind entfernt, der Rest kann erstmal steckenbleiben, hält diese “Restniete” doch erstmal Schlossgehäuse und Unterteil zusammen. Nach dem Abnehmen des Deckels offenbarte sich prompt der vermutete Schlüsselstumpf. Somit gestaltet sich das Innenleben identisch zu einer Behörden-9er. Gute Voraussetzungen, da somit nur die Deckel zu fräsen sind.

Ein Doppelbild, wie die 9er innerlich funktioniert. Bemerkenswert ist hierbei die sehr nah aufeinanderfolgende Entriegelung des Double-Locks (sofern er gesetzt ist) und das Anheben der Schlossfallen. Bei den Consumer-Modellen muss der Schlüssel eine Dreivierteilumdrehung dafür machen, hier reicht etwas mehr als eine Viertelumdrehung. Persönlich empfinde ich die Geometrie der Schlossfallen als eines der Highlights, natürlich neben der Präzision der Bauteile. Über den Verdrehweg des Schlüssels wurde hier eine etwa gleichbleibende Anhebung der Sperrklinken realisiert. Beim Konstruieren immer wieder eine knifflige Sache, die hier imho exzellent gelöst wurde.

Der Zerlegebild der 9er. Logisch, dass diese aufgrund der “Technischen Richtlinie (TR)” mehr Bauteile an Bord hat als eine geometrisch weitgehend vergleichbare 12A. Die drei Sperrklinken besitzen jeweils eine Materialstärke von 1mm und werden von zwei 0,5mm starken Blechen getrennt, welche das Lockpicking erschweren sollen. Jede Schlossfalle besitzt ihre eigene Feder, was beim Zusammensetzen eine ruhige Hand und Feinmechanikerwerkzeug erfordert. Der verwundene Double-Lock-Riegel wird mittels einer Feder arretiert. Bei früheren Modellen der 9 wurden hier zwei Federn eingesetzt, die Aussparung ist im Schlosskasten dafür noch vorhanden. Zumindest wurde sie bei der hier zerlegten 9 aber nicht mehr genutzt. Auch das Druckstück für das Drehteil im Schloss wurde geändert. Wo aktuell eine Druckfeder mit Kunststoffkeil in eine Aussparung des Drehteils drückt, wurde meinen Informationen nach früher eine Flachfederspange eingesetzt. So jedenfalls auf den wenigen Bildern, die es bisher vom Innenleben der 9 im Internet gab, gesehen. Das Drehteil wird übrigens arretiert, damit es sich im normalen Gebrauch nicht durch mechanische Einflüsse verdreht und der Beamte den Schlüssel direkt einführen kann. In hektischen Situationen wäre es wohl nervig, erst mit den beiden Dornen am Schlüsselansatz das Drehteil wieder in seine Ausgangsstellung zu fummeln, bevor der Schlüssel eingesteckt werden kann. Der Verschlussbügel wird in der bei Clejuso bekannten Messinghülse gelagert. Und während die etwas dünneren Consumer-Modelle eine Auswölbung nach außen für den Drehwirbel besitzen, wurde hier von innen eine Tasche gefräst. Die optisch deutlich schönere Lösung.

Zum Fräsen: Der Schüssel besitzt eine Materialstärke von 2mm. Somit kommt ein 2mm-VHM-Fräser zum Einsatz. Aufgrund der minimalen Rundlaufabweichung dürfte somit ein Schlitz von ca. 2,05 bis 2,1mm herauskommen. Die Kunst ist, die Gehäuseteile auf dem Koordinatentisch auszurichten, was mit einem 90°-Winkel angelegt an der Kante des Koordinatentisches und der Flachseite des Gehäusedeckels ganz gut gelingt. Dann ist noch der Fräser auszurichten, was über den konischen Schaft und das schon im Deckel existierende Loch ganz gut funktionierte. Beim ersten Fräsen ging ich schichtwiese vor, was aber eigentlich nicht nötig ist. Mit etwa 11.000 Umdrehungen knusperte sich der Fräser mühelos durchs Material.

Wichtig ist natürlich die Länge der Einfräsung. Ich gestehe, das mit Augenmaß erledigt zu haben, immer mal wieder zwischendurch den Schlüssel zum Vergleich danebenlegend. Da ich nicht wusste, ob es überhaupt funktioniert, hatte ich zu diesem Zeitpunkt den Schlüssel noch nicht vermessen, wollte aber fertigwerden. Hat ja so weit gepasst.

Testweise ein paar Teile zusammengesetzt. Sieht doch schon mal gut aus und funktionierte auch so weit. Vor dem finalen Zusammenbau und dem Vernieten stand wie immer die Generalprobe, heißt: alles zusammensetzen, statt Niete alles mit Schrauben sichern und testen. Und danach ging’s dann an die letzte Station.

Nervig war wegen der schon oben geschilderten Abweichungen die Wahl der Niete. Den vier Nieten für das Schloss musste ich etwas Material am Kopf abnehmen. Das Verpressen geschah mit meiner selbstgebauten Nietpresse und die Feinarbeit dann mit Hammer und Dorn. Wichtig ist der passende Überstand vor dem Vernieten, damit das Nietloch mit dem gestauchten Material möglichst exakt ausgefüllt wird. Für den Verschlussbügel verwendete ich eine 4mm-Halbrund-Niete, deren Schaft ich auf ca. 3,5mm abgedrehte. Nietstauchung per Hammer, Finish mittels Nietwerkzeug (mit auf dem Bild).
Was ich gebraucht habe, um diesen Umbau durchzuführen:
- Bohrständer (hier Fa. Wabeco)
- Koordinatentisch (ebenfalls Fa. Wabeco)
- Spannpratzen-Set
- Bohrmaschine (mit 43mm-Aufnahme für Montage in Bohrständer, hier eine Bosch Professional)
- Fräsmotor (hier Fa. AMB)
- HSS-Co-Bohrer 2, 2,5 und 3mm
- VHM-Schaftfräser 2mm
- Handfräser (hier Fa. oder Marke Trovex) mit Schleif- und Trennaufsätzen
- Schraubstock-Amboss (hier Fa. Kanca)
- Niet-/Karosserie-Hammer
- diverses Werkzeug, normal und auch für Feinmechanik
- Messwerkzeug (Bügelmeßschraube, digitaler Meßschieber)
- Verbrauchsmaterial (Nieten)
- Drehmaschine (Anpassung der Nieten auf “Clejuso-Maße”)
Was unterscheidet die modifizierte Handschelle nun letztendlich von einem für Behörden gefertigten Modell? Bei genauem Hinsehen sind die Schlüsselschlitze an ihrem jeweiligen Ende nicht eckig, sondern rund ausgeführt. Geschuldet ist dies der gewählten Bearbeitungsmethode mittels Schaftfräser. Mittels Stoßen oder Ausfeilen hätte ich auch die Ecken noch originalgetreuer darstellen können. Dies folgt eventuell bei der Bearbeitung der zweiten Schelle.
Und da auch nur der Schlüsselstumpf vorhanden ist, ohne den originalen Kopf, ist dies der zweite sofort augenscheinliche Unterschied. Dieser wird jedoch nicht so einfach zu beheben sein, da auch die im Fachhandel angebotenen Ersatzschlüssel nur per Nachweis verkauft werden. Am einfachsten schweißt man Rändelrad und Schlüsselstumpf wieder zusammen.
Fazit: Es ist somit aktuell möglich (Stand Juli 2022), Besitzer einer Clejuso Nr. 9 zu werden, ohne den ansonsten zwingend nötigen Behördennachweis zu erbringen. Dies gilt im weiteren Sinn ebenso für das Modell 209, da dieses aus Teilen der Nr. 9 besteht. Ein wahres Sammlerstück stellt somit noch die 119SH dar, da sich deren Konstruktion von der 9 unterscheidet (ähnlich dem Unterschied zwischen 12A und 19R) und es von dieser keine allgemein verfügbare Trainingsversion gibt, die man einem Umbau unterziehen könnte. Gleiches gilt auch für die Nr. 9 als Teflon-Version (mit schwarz-mattierter Oberfläche).