Und so begab es sich zu jener Zeit, als dort jemand meinte, durch eine unkontrollierte Krafteinwirkung eine Kaltverformung zu bewirken. Dies nun ausgerechnet an einem Paar Clejuso 19R, welche damit in wenigen Sekunden drastisch im Wert gemindert wurden. Schlecht für den Besitzer, gut für den Käufer, in diesem Fall ich, der diese Handschellen für einen Freundschaftspreis von 5 Euro erstehen konnte.

Von außen sahen die Handschellen gar nicht mal so schlecht aus. Eine Seite bzw. Schelle funktionierte noch vollständig. Die andere auch, jedoch bedingt. So ließ sich aufgrund der Verformung der Bügel stellenweise nur mit deutlich erhöhtem Kraftaufwand bewegen. Also technisch nicht unbedingt in der Kondition, um weiter eingesetzt oder präsentiert zu werden. Ein idealer Kandidat für den ersten Zerlege-Beitrag. Dies wird auf diesem Blog eine neue Rubrik, denn es warten noch ein paar weitere Kandidaten auf deren Demontage.

Was ich beim Kauf nicht bemerkte: Es war sogar der Nietkopf einer Senkkopfniete durch die Krafteinwirkung abgerissen worden. Das hätte ich einerseits nicht erwartet, ließ aber auch darauf schließen, dass das folgende Ausbohren vergleichsweise werkzeugschonend vonstattengehen würde. Das stimmte dann bedingt, denn die beiden Nieten in Höhe des Scharniers sowie die Niete des Bügels bestanden aus Edelstahl – im Gegensatz zum Rest.

Parallel zur ersten Begutachtung reifte die Idee, nicht nur das Innenleben zu dokumentieren, sondern auch einen Instandsetzungsversuch durchzuführen. Dies wird, sofern dies wenigstens in Teilbereichen erfolgreich verläuft, in einem späteren, separaten Beitrag kommentiert und dargestellt. Heute geht es erstmal um die Bestandsaufnahme des Innenlebens. Die genaue Darstellung der Verformung bzw. des Ausgangszustands stellt eine ergänzende Information dar. Wer nicht abwarten kann, muss runterscrollen.

Der nächsten Schritt bestand im Ausbohren der Nietköpfe. Das gelang bei den (aufgrund der Farbe vermuteten) Stahlnieten sehr gut. Es handelt sich hier, mit Ausnahme der Niete für den Bügel, um Senkkopf-Vollnieten mit 2,5mm Durchmesser. Aufgrund des inliegenden Alu-Schlosskörpers bohrt man besser nur die Nietköpfe exakt mittig an, um diese dann mit einem in diese Bohrung eingesteckten Dorn o. ä. in Höhe der Innenseite der Schlossabdeckungen abzureißen. Zieht man an einer Standbohrmaschine mit zu großen Bohrer durch, würde man aufgrund des Leichtmetalls (Aufnahmerahmen für die innere Mechanik) vermutlich gar nicht merken, in dieses aufweitend hineinzubohren. Was eine Wiederverwendbarkeit der Bauteile durchaus einschränken kann. Mein Ziel ist es, diese Handschellen ja irgendwann wieder gebrauchsfertig zusammenzusetzen.
Hantiert habe ich bei diesem Unterfangen mit 2 und 2,5mm-Bohrern und einer in einem Bohrständer eingespannten Bohrmaschiene. Der Nietkopf der Niete am Drehpunkt des Bügels wurde mit einem Schleifaufsatz langsam aber sicher abgeschliffen, so dass der Niet mit einem Durchschlag und einem Hammer letztendlich herausgetrieben werden konnte. Die beiden 2,5mm-Edelstahlnieten zum Scharnierhin kosteten einen (abgebrochenen) Bohrer.

Der Schlosskastendeckel löst sich, die Spannung steigt. Und was zum Vorschein kommt, wirkt auf den ersten Blick durchdachter als bei vielen Standardmodellen auf dem Markt und nicht unbedingt typisch deutsch verkompliziert.
Durch das h-förmige Bauteil für den Double-Lock wird die Betätigung eben dieser Funktion gut erreichbar und bedienbar gestaltet (lässt sich mit Fingerspitze etc. eindrücken). Für die erst jüngst Interessierten: Beim Double-Lock handelt es sich um eine Vorrichtung die verhindert, dass nach dem Anlegen der Handfesseln diese unkontrolliert enger zugezogen werden, z. B. wenn der/die Festgenommene randaliert. Ist der Double-Lock betätigt, so ist die Schelle in jegliche Richtung gesperrt. Diese Funktion, sowie auch die Öffnung der Handfessel, lässt sich nur noch durch den Schlüssel wieder aufheben.

Der Bügel umläuft in seinem Drehpunkt eine kleine Buchse (außen 8mm, innen 3,6mm, Höhe 3mm). Der Niet von mutmaßlich 3,5mm Ursprungsdurchmesser besteht aus Edelstahl.

Hier ein Blick auf das Zusammenwirken der Komponenten. Die Schlossfalle greift federbelastet in die Zahnrasten des Bügels ein und bewirkt formschlüssig, dass dieser nur in eine, nämlich die zuziehende, Richtung mit geringem Kraftaufwand verstellt werden kann. Für das Öffnen der Schelle muss der Schlüssel mit seinem Bart die Sperrklinke soweit anheben, dass diese keinen Kontakt mehr zu den Zähnen des Bügels besitzt. Ist ein Double-Lock gesetzt, wird dieses Abheben der Sperrklinke oder Schlossfalle unterbunden. Zuerst muss also der Schlüsselbart zwingend des Double-Lock-Mechanismus in die Ursprungsposition schieben, bevor eine wirksame Entfesselung stattfinden kann. Beide Aktivitäten, die Deaktivierung des Double-Lock sowie auch die Freigabe des Bügels, geschehen in der gleichen Schlüsseldrehrichtung. Bei vielen anderen Handschellen muss hierfür nacheinander in zwei verschiedene Richtungen gedreht werden.

Die Schlossdeckel wurden aus 2mm starken Edelstahlblech gefertigt, der Bügel weist eine Stärke von 3mm auf. Die Höhe des Schlosses (Alu-Teil) beträgt 4mm. Somit ergibt sich eine Gesamthöhe von 8mm.
Für die Vernietung werden Nieten vom Durchmesser und Material 2,5mm Edelstahl (Scharnier), 3,5mm Edelstahl (Bügel) und 2,5mm (vermutlich) Stahl für den Schlosskasten eingesetzt. Bis auf die Niete für den Bügel handelt es sich um Senkkopf-Vollnieten. Die konischen Bohrungen haben in dem Schlossdeckel eine Breite von ca. 4,4mm (was nach DIN 661 auch auf 2,5mm Nietendurchmesser hinweist). Für die Herstellung der Vernietung vermute ich eine einfache Verpressung oder eine Orbital-Taumelnietmaschine mit entsprechend kegeligem Aufsatz.
Der Niet für die Schlüsselführung besitzt einen Durchmesser von 2,2mm und ragt ca. 5,6mm hoch (somit fast bündig mit der Außenseite des gegenüberliegenden Deckels).
Der Bügel besteht aus 3mm starken Edelstahlblech mit einer Bohrung von 8,2mm. In dieser Bohrung findet eine Hülse mit 8mm Außen- und 3,6mm Innendurchmesser Platz. Deren Höhe beträgt 3mm.
Das Schlossinnenteil, welches die Mechanik für die Verriegelung der Zahnstange sowie des Double-Locks beherbergt, besitzt eine Stärke von 4mm und ist aus Aluminium gefertigt. An der dünnsten Stelle messe ich eine Materialstärke von 1,6mm.
Die Zahnraste ist in 2mm Stärke gefertigt und wird von einem 0,5mm starken Deckblech geschützt. Der Double-Lock-Hebel ist ebenfalls 2mm stark.
Die beiden Federn wurden an dieser Stelle in Dimension, Form und Federkonstante nicht näher bestimmt. Alles in allem rasten die Clejuso-Handfesseln weicher als die sonstigen Standardmodelle anderer Hersteller, was mir persönlich sehr gut gefällt, kommen aber an AlfaProj und baugleiche Handschellen nicht heran.
Alle Werte sind selbst gemessen und Material- sowie Verarbeitungsangaben sind vorbehaltlich Irrtümern wiedergegeben. Wer Ergänzungen oder Verbesserung dazu konstruktiv beisteuern kann, möge sich bitte über die in den Kontaktdaten genannte E-Mail-Adresse melden.
(Update 23.04.22: Nietendurchmesser korrigiert.)
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