Weitere Einblicke in die Funktionsweise der A.-W.-Naht-Handschelle und warum man bloß aufpassen sollte, den richtigen Schlüssel zu verwenden. Wer möchte, kann den ersten Teil zur A.-W.-Naht hier lesen.

Wie schon im vorherigen Beitrag erwähnt, sollte der Anwender dieser Handschelle darauf achten, den korrekten Schlüssel zu verwenden. Insbesondere ist die Abgrenzung zur Clejuso12D wichtig, da nicht nur diese Handschelle sehr ähnlich aussieht, sondern auch deren Schlüssel – mit der kleinen, aber feinen Differenz von 0,5mm Höhe beim Schlüsselbart, die den Unterschied zwischen Freiheit und einem “Oh, holy sh*t…!” ausmachen können. Wenn es denn blöd gelaufen ist, steckt der Schlüssel irreversibel im Schlosskasten. Und wenn es richtig blöd gelaufen ist, steckt auch noch ein Handgelenk in der Schelle…

Als Einleitung zwei Bilder, die die Mechanik des Double-Lock verdeutlichen. Der vertikal bewegliche und dank der Flachfeder rastende Double-Lock-Schieber verhindert oder ermöglicht die Verdrehbewegung der Schlossfalle um ihren unten befindlichen Drehpunkt (normalerweise Niet, hier M2-Schraube mit U-Schiebe und Mutter). Kann diese Schlossfalle nicht zurückweichen, ist somit der Verschlussbügel arretiert, was übersetzt bedeutet, die Handschelle lässt sich nicht enger schließen. Das soll im angelegten Zustand Verletzungsgefahren des/der Gefesselten minimieren. Dieser Mechanismus ist so oder in ähnlicher Form, jedoch immer mit dem gleichen Ziel, bei eigentlich allen modernen Handschellen zu finden.


Mit diesem Einblick in die Mechanik der A.-W.-Naht nun die beiden folgenden Situationen. Zuerst mit einem Originalschlüssel. Nach dem Einstecken wird der Schlüssel um etwa 180° nach links gedreht, bis der Schlüsselbart an die obere Kante des Double-Lock-Schiebers stößt und dieser beim weiteren Drehen des Schlüssels in seine Ausgangsstellung heruntergedrückt wird. Danach wird der Schlüssel nach rechts gedreht, bis der Bart an einer Kante der U-förmigen Vertiefung am oberen Teil der Schlossfalle anschlägt. Der Anwender arbeitet ab diesem Punkt beim Weiterdrehen gegen die Federkraft der Flachfeder. Die Schlossfalle hebt vom Verschlussbügel ab und gibt diesen frei. In Endstellung schlägt die Schlossfalle am Double-Lock-Schieber an. Die Handschelle ist nun maximal entriegelt, solange der Schlüssel gegen die Federkraft in dieser Position gehalten wird. (In der grafischen Abbildung ist die Flachfeder, die eben jene Federkraft erzeugt, entfernt, um die gezeigte Darstellung überhaupt erst ohne großen Aufwand zu ermöglichen.)

Was geschieht nun im Fehlerfall bei Verwendung eines unpassenden Schlüssels? Übrigens beschreibt der nachfolgende Ablauf die spezifischen Schritte, die genau bei diesem Handschellentyp mit diesem (irrtümlich falschen) Schlüssel auftreten. Andere Kombinationen können ein anderes Ergebnis ergeben, jedoch ist der beschriebene Ablauf bei diesem Modell meines Wissens der häufigste Fehler für den mechanischen Super-Gau. (Es geht auch noch gemeiner, wenn nämlich dem Hersteller die Gießform seiner Schlüssel “davonläuft” oder Toleranzen in der Fertigung der Einzelteile auftreten und dieser Effekt dann auch mit dem Originalschlüssel eintritt. So meines Wissens vor einigen Jahren mit der ersten Serie eines Produkts eines koreanischen Herstellers passiert.)
Zum Ablauf: Der falsche Schlüssel (mit zu kurzem Bart) schafft es noch, den Double-Lock-Schieber nach unten zu drücken. Vereinzelt gab es in der Vergangenheit Annahmen, der “Unfall” würde schon bei diesem Schritt entstehen, was ich jedoch nicht nachvollziehen konnte. Der Double-Lock ist also entriegelt, der Anwender möchte die Schelle öffnen. Der Schlüssel nimmt die Schlossfalle auch bis zum Anschlag an den Double-Lock-Schieber mit, rutscht dann aber über die obere Kante hinweg, unter der Federkraft schnellt die Schlossfalle zurück und verriegelt den Verschlussbügel wieder. Leider kann nun jedoch der Schüssel nicht mehr in seine Ausgangsposition zurückgedreht und entnommen werden, da der Bart einerseits am DL-Schieber anschlägt, andererseits an der Rückseite der Schlossfalle. Mit ganz viel Glück und ein wenig Gewalt lässt sich ein Schlüssel manchmal doch überreden, auf gleichem Pfad den Rückweg anzutreten, wenn der Schlüsselbart paradoxerweise kurz genug dafür ist. In meinem hier gezeigten Szenario aber… nun ja, game over!

Theoretisch könnte man sich entweder durch Shimming (dünne Metallspange entlang den Zähnen des Verschlussbügels in den Schlosskörper einführen, um so zu versuchen, die Schlossfalle anzuheben) oder einer Einfräsung am Schlüsselloch um 90° versetzt zur originalen Öffnung behelfen. Zugegeben hat man wohl selten die technischen Möglichkeiten dafür umgehend zur Verfügung, insbesondere wenn man vorher nicht mit einem solchen Umstand rechnete.
Die Moral von der Geschicht’: Manche Schlüssel eignen sich für Quertausch, manche nicht! Seid vorsichtig da draußen, insbesondere in “Ach-der-Schlüssel-von-Modell-XY-passt-hier-sicherlich-doch-auch”-Momenten. Der hilfsbereite Nachbar von nebenan mit der Akku-Flex oder die herbeigerufene Dorf-Feuerwehr wird sich sicherlich auch in Jahren die Geschichte noch amüsiert erzählen…