Beschreitet man Pfade fernab vom bisher Bekannten, sind neue Herausforderungen nicht ausgeschlossen. So auch im Fall dieser zerlegten Smith & Wesson 100, die ich im letzten Jahr gebraucht via Ebay kaufte für einen vertretbaren Preis.

Soweit ich es der damaligen Artikelbeschreibung entnahm, versah diese Handschelle ihren Dienst bei den Gesetzeshütern. Und muss wohl die eine oder andere kaltverformende Situation erlebt haben, da die Bügel schon deutlich schliffen (nicht beim Schlossdurchgang, aber beim Durchschwingen).
Ich hatte extra eine Ausführung ohne offensichtliche Nietköpfe besorgt, um einen Einblick in das Fügeverfahren zu bekommen. Die (wahrscheinlich widerlegte) Vermutung war, dass das Material des Deckels an den Befestigungsstellen durchgesetzt und aufgeweitet wird. Es macht nun eher den Eindruck, dass es sich aus dem Deckelmaterial tiefgezogene Führungen handelt, um die Bauteile via Presspassung gegeneinander auszurichten. Mittlerweile scheint S&W von diesem Verfahren abgekehrt zu sein, denn aktuell sehe ich eher, dass die Modelle vernietet werden.

Mit dem Ausbohren dieser Stellen war es dann nicht getan, die Teile saßen weiterhin fest zusammen. Da ich noch funktionierende S&W 100MP (vernietet) und M1 (durchgesetzt) besitze, war diese 100er sowieso der irreversiblen Zerlegung geweiht – da tat der Einsatz des Winkelschleifers nicht weh. Wenigstens eine kleine, mehrere Quadratmillimeter große Ecke des Gehäusedeckels ließ sich dann abheben (die vermeintlichen Metallsplitter im Bild). Zum Vorschein kam eine rosafarbene, diffuse Zwischenschicht, die sehr wahrscheinlich ein Metallkleber war. Gut, dann brauchen wir halt ein wenig mehr technische Überredungskünste…


Letztendlich kamen Gasbrenner, Meißel und Hammer zum Einsatz, um den Gehäusedeckel abheben zu können. Nach Hitzeeinwirkung bis zum Verdampfen des in der Handschelle noch befindlichen Schmierölrests und den spaltenden Einsatz des Meißels gab die Klebeverbindung endlich nach. Obwohl die Teile aus Carbonstahl gefertigt sind, hinterließen die zuvor beschriebenen Öffnungsarbeiten eine bleibende Verformung. Das stellt also noch keine machbare Reparaturmethode dar. Ziel war eigentlich, die Einzelteile hinterher mit passenden Nieten grundsätzlich wieder zu verbinden zu können.

Was sich als Innenleben der S&W 100 offenbarte, gestaltete sich angenehm übersichtlich: eine Schlossfalle und eine Formfeder, die einerseits die Schlossfalle stützte, gleichzeitig aber noch als Double-Lock-Schieber arbeitete. Bis auf eine kleine Metallrolle, die sich frei in einer Aussparung der Formfeder befand, gab es sonst keine beweglichen Teile im Schloss. Bei anderen Herstellern findet man meist drei Teile (Schlossfalle, DL-Schieber, Feder). Ein weiterer Sicherheitsvorteil bei der kombinierten Verwendung der Feder: einerseits rastet diese recht stark, andererseits hat sie eine zu geringe Masse, um sie als DL-Schieber einfach via Massenträgheit „zurückzuschlagen“, d. h. durch das harte Aufschlagen der Schelle auf einen Gegenstand.


Weiterhin ist bei den S&W-Modellen das Selbstbewusstsein in puncto Präzision immer wieder interessant. Während manche Handschellen bis zu einem Millimeter Spiel zwischen Verschlussbügel und Gehäuse zeigen, bewegt sich S&W hier im Zehntelmillimeterbereich. Und es funktioniert.

Derzeit verlangt der Fachhandel 37 Euro für eine S&W100 (Stand März 2023). Angesichts der Materialwahl, der durchdachten, verlässlichen Konstruktion und Genauigkeit ein m. E. sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis.
Spannend wäre es nun zu wissen, ob auch die genieteten Modelle verklebt sind. Ich gehe davon aus, eben weil diese Zwischenschicht auch davor schützt, dass sich z. B. Regenwasser am äußeren Umfang kapillar seinen Weg ins Innere sucht.
Nachdem ich bei YT nachträglich auf ein Video gestoßen bin (zu finden unter dem Suchbegriff „How its made: Handcuffs“), in dem streckenweise der Herstellungsprozess des Modell 10x gezeigt wird, gehe ich in Kombination mit den Detail-Bildern eher von folgendem Verfahren aus:
- Spätere Führungen für die Montage werden in den Deckplatten tiefgezogen
- Schlossrahmen enthält entsprechende Anzahl an durchgehenden Bohrungen (Presspassung)
- Teile werden mit Hilfe von Kleber gefügt (wird zwar nicht im Video gezeigt, kann ich mir anhand der am zerlegten Modell aufgefundenen Merkmale gerade nicht anders erklären)

Wer Korrekturen zu meinen Erkenntnissen und Annahmen besitzt, darf sich sehr gerne melden!