Die Clejuso 12D sieht auf den ersten Blick einer A. W. Naht zum Verwechseln ähnlich. Und doch hätten diese beiden Technikerzeugnisse nicht unterschiedlicher sein können. Zur Betrachtung inkl. Sektion kommt heute ein Stück aus dem “Schlachtware”-Fundus: eine 12D, die sich nur noch sehr schwer bis fast nicht mehr schließen ließ.

Clejuso 12D als Einzelteil
Clejuso 12D als Einzelteil

Diese Handfessel dürfte es in den 1940er- bis 1970er Jahren in verschiedenen Versionen (ohne Double-Lock mit zwei Schlossfallen, ohne DL mit einer Schlossfalle, Kettenanbindung mittig oder unten) gegeben haben. Genau lässt sich das beim vorliegenden Modell leider nicht datieren, es muss eine der späteren Versionen gewesen sein. Was aber sicher ist: Es handelt sich hier um eine „normale“ Ausführung – im Gegensatz zu dieser existierten mehrere Versionen der 12D in doppelter Materialstärke als s. g. Hochsicherheitsfessel. Doppelt deswegen, weil sich aus Teilen einer normalen 12D zusammengesetzt war, also Doppel-Deckel und Doppel-Verschlussbügel aufwies. Soweit ich das an einem solchen Exemplar visuell erkennen konnte, wurde die Teile dort selbst nochmal miteinander vernietet, glattgeschliffen und mit einer Nickelschicht versehen. Kurz: aus zwei mach eins.

Clejuso Schriftzug
Aus guten alten Zeiten

Während die A. W. Naht zur Arretierung des Verschlussbügels einen gezahnten Schwinghebel besaß, was die meines Wissens weltweit gebräuchlichste konstruktive Form darstellt, beinhaltet die 12D ein verschiebbares „Schlossfallen-Plättchen“, welches mit Zähnen versehen ist und von einer Flachfeder in Position gedrückt wird. Über dieser Schlossfalle dient eine weitere verschiebbare Platte als Double-Lock, die mit ihren Ausformungen entweder die Verschiebung der Schlossfalle zulässt oder sperrt.

CL12D Schlossfalle
Freie Sicht aufs Wesentliche
Clejuso 12D Double-Lock nicht gesetzt
Clejuso 12D, Double-Lock nicht gesetzt
Clejuso 12D Double-Lock gesetzt
Clejuso 12D, Double-Lock gesetzt

Mittlerweile ist die Schwergängigkeit dieses Exemplars auch erklärbar, zeigen doch einige Stelle Rostansätze. Aufgrund der großflächigen Auflageflächen der Teile zueinander dürfte dieser Effekt bei schlechter Wartung und Mangelschmierung häufig aufgetreten sein.

CL12D Funktion DL
CL12D, Funktion Double-Lock
Die Funktionsweise der 12D im Modell
Die Funktionsweise der 12D im Modell

In einem von Tag zu Tag komplizierter werdenden Leben wünscht man sich in manchen Momenten ein Gefühl der Einfachheit zurück. Und verglichen mit heutigen Konstruktionen und Prozessen wirkt die Technik von Handschellen doch vergleichsweise simpel und funktional, so dass sie beinahe von jedermann sofort verstanden werden kann. Aber der Deutsche wäre nicht der Deutsche, würde er diese wunderbare Leichtigkeit des Seins im Inneren ablehnen, nur um etwas zu bauen, was seinen ganz eigenen Vorstellungen entspricht. Und steht er dann vor seinem Werke, wird ihm die stolz herausgestreckte Heldenbrust hoffentlich nicht die Sicht für das versperren, was er dort wieder verzapft hat. Vielleicht war es dem Konstrukteur der Clejuso 12D ja so gegangen, als er sich sein fertiges Werk besah. Oder es wurde ihm erst aus dem Feld zurückgemeldet, dass seine Handschellen eine kleine, aber nicht unbedeutende Schwachstelle hatten.

Waren der festzusetzenden Person die Handschellen angelegt worden, wurde es spannend. Der Clou war nun das Setzen des Double-Locks (im Weiteren kurz als „DL“ bezeichnet): Dies funktionierte allein mit dem Schlüssel. Mit dem Schüsselbart wurde im Schloss die Sperrplatte so verschoben, dass die Schlossfalle von den beiden Zacken der Sperrplatte in ihrer Bewegung blockiert wurde. Während der Drehbewegung des Schlüssels wurde aber zwangsweise in einer bestimmten Zwischenposition die Schlossfalle zurückgezogen, somit die Handschelle eigentlich kurz entriegelt. Nicht überliefert ist, ob dies unter den Ganoven der damaligen Zeit bekannt war und ob aufgrund dieser technischen Tatsache jemand die Flucht gelang. Ärgerlich dürfte es allemal gewesen sein.

Positionen des Schlüssels, von „DL nicht gesetzt“ zu „DL gesetzt“, linksdrehend:

  • 0°: Schlüssel wird ins Schloss eingeführt, vergl. Pos. 1
  • 90°: Schlossfalle wird entriegelt, Verschlussbügel frei (!!!), Pos. 2
  • 180°: Schlossfalle wird durch Federkraft wieder gegen Verschlussbügel gedrückt, Pos. 3
  • 270°: Sperrplatte wird vom Schlüsselbart in DL-Position verfahren, Pos. 4
  • 360°: DL gesetzt, Schlüssel kann entnommen werden

Nun das alles vom Zustand „DL gesetzt“ zu „DL gelöst und Handschelle entriegelt“, rechtsdrehend:

  • 0°: Schlüssel wird ins Schloss eingeführt
  • 90°: Sperrplatte wird in „DL gelöst“-Stellung verschoben
  • 180°: keine in diesem Verlauf besondere Stellung
  • 270°: Schlossfalle wird gegen Federkraft zurückgedrückt, Verschlussbügel frei
  • 360°: Schlossfalle arretiert federbelastet wieder Verschlussbügel, Schlüssel kann entnommen werden
Funktionsdarstellung Clejuso 12D
Die Tücken der Clejuso 12D

Die 12D stellt eigentlich aufgrund ihrer Form und ihrer Ideen im Innenleben ein interessantes Stück Technik dar, wird aber wegen ihrer Schwäche wohl weniger einsatzfähig gewesen sein.

Auf die 12D dürfte in neuer Form die 12R (die mit der Prägung “rostfrei”) gefolgt sein, die eine neue Ära einläutete und die Grundlage des Großteils der heute noch amtierenden Handschellen-Serie der Fa. Clejuso darstellt, wie z. B. 11(A), 12(A), aber auch die 9 und vergleichbare Derivate.