Meine Damen und Herren – stellen Sie bitte ihre Sitze in eine aufrechte Position. Sie werden nun mitgenommen auf eine Reise in den Raum!

3D-TV-Geräte und VR-Brillen können mitunter teure Spielzeuge sein, nur um einen räumlichen Einblick von der abgebildeten Umgebung zu erzeugen. Es geht aber auch zu deutlich geringeren Kosten – auf der Macher- und auf der Zuschauerseite.
Das Anaglyphen-Verfahren ist so ziemlich die preiswerteste Möglichkeit dafür. Der Betrachter braucht nur eine rot/cyan-Brille, die aus Leichtkarton fabriziert für ca. 1 Euro zu haben ist. Darüber hinaus gibt es auch Modelle, die wie eine Brille ausgeformt und aus Kunststoff gefertigt sind für eine längere Haltbarkeit gegenüber der Kartonware.
Auf der kreativ-schöpferischen Seite ist natürlich wie immer etwas mehr Aufwand zu betreiben, der sich aber deutlich in Grenzen hält. Wir brauchen: eine oder zwei Kameras (je nach dem ob Stilleben oder dynamische Szenen eingefangen werden sollen) und eine Software. Letztere gibt es glücklicherweise auch als Freeware, später dazu mehr.
Aber wie funktioniert das nun? Bei diesem schon vor etwa 150 Jahren entwickelten Verfahren der Darstellung dreimensionaler Inhalte werden beide Einzelbilder überlagert dargestellt, statt wie bei anderen Verfahren, z. B. VR-Brille, neben- oder untereinander angeordnet. Die Bildtrennung erfolgt durch die Verwendung von Farbfiltern, das heißt in jedem dieser Bilder, die zuerst an eine chromatische Aberration erinnern, stecken zwei Einzelbilder. Und zwei Einzelbilder, aus leicht verschiedenen Perspektiven, verlangt unser Gehirn für die Generierung eines räumlichen Eindrucks.
Sogar Farbinformationen lassen sich so übermitteln – aber nicht genau für die zwei Farben, die bei der Brille verwendet werden, in unserem Fall Rot und Cyan. Die persönliche Empfindung bei Vorhandensein einer dieser Farben im 3D-Bild lässt sich wohl am besten mit “undefiniert” umschreiben (gilt nur für die roten bzw. cyanfarbigen Bildbereiche). Was macht nun ein Horrorfilm-Produzent? Grünes Blut nehmen? Nein, für diesen Fall, also zum Beispiel die lebensechte dreidimensionale Darstellung einer Zombie-Apokalypse, würde der Filmemacher, spätestens aber der Mitarbeiter in der Nachbearbeitung, eine andere Farbfilterpaarung verwenden. In diesem Fall eine ohne Rot.
Insgesamt gibt es neben rot/cyan noch die Farbfiltervarianten rot/grün, rot/blau, aber auch gelb/lila wurde gesichtet. Daneben existieren noch ein paar weitere Verfahren, wie das Polarisationsverfahren (die Brille dafür ist im obigen Bild ebenfalls zu sehen).
Fotografieren wir Stilleben, was bei unbenutzten Handschellen ja der Fall ist (zumindest machten die Dinger keine Anstalten wegzulaufen), genügt eine Kamera, die parallel verschoben werden kann. Dies kann entlang einer Kante geschehen, komfortabler geht es natürlich mit Kameraschlitten – entweder fertig gekauft oder selbst gebaut Schubladenscharnieren und ein wenig Holz. Alternativ können auch zwei bau- und einstellungsgleiche Kameras verwendet werden (gut für Situationen mit Dynamik), dort gelangt man aber aufgrund der mechanischen Kameragehäusebreite schnell an eine recht hohe Grenze für den minimal möglichen Kameraabstand zwischen den Einzelbildern. Natürlich sollten beide Einzelkameras genau zueinander und dem zu fotografierenden Gegenstand ausgerichtet sein und beide im manuellen Modus arbeiten. Schlecht wäre, wenn die eine mit Blende 2.8 hantiert und nur einen kleinen Bereich scharf wahrnimmt, während die andere mit Blende 8 oder noch höher ein andere Sichtweise auf die Welt dokumentiert. Das wäre der Vorteil des Ein-Kamera-Betriebes (ebenfalls im M-Modus, damit beide Einzelbilder in Farb- und Lichtgebung möglichst identisch sind). Und ein zweiter ist, dass der Abstand zwischen den Einzelbildern sehr klein gewählt werden kann, was einer zu großen Verzerrung vorbeugt. Der Grat zwischen “Boah! 3D!” und “Boah! Kopfschmerz! Übelkeit!” kann doch sehr klein sein. Für das Stilleben des Fesselwerkzeugs arbeitete ich mit 0,8 bis max. 2 cm Abstand der Einzelbilder.
Über die Software, die die Einzelbilder zu einem Stereobild zusammfügt, lässt sich auch der Punkt des Übergangs zwischen “vor dem Monitor” und “im Monitor befindlich” einstellen. Ein Spiel mit (Un-)Schärfe, Abstand und Bildverschiebung.
Als Software kamen der Anaglyph-Maker von T. Sekitani und der Stereo Photo Maker Pro von Suto/Sykes/Bloos zum Einsatz, letzterer wird aufgrund seiner Komfort- und Automatisierungsmöglichkeiten für die Bilder, siehe unten, benutzt. Auch einige Softwareprogramme können 3D als Anaglyph abbilden, z. B. FreeCAD oder Blender bei der Konstruktion/Modellierung von Gegenständen.
Um Geisterbildern vorzubeugen, die bei der Speicherung aufgrund der JPG-Komprimierung entstehen, sind jeweils Qualitätsanforderung und Speicherplatz/Ladezeit zu berücksichtigen. Da das Bitmap-Format .bmp meist sehr große Dateien erzeugt, stellt .png eine gute Alternative dar und kann in manchen Fällen kompakter als ein vergleichbares JPG-Bild ausfallen bei besserer Bildqualität.
Warum diese lange, ausführliche Beschreibung? Als Anreiz. Es wäre doch schön, wenn andere Sammler ihre Modelle lebensechter präsentieren. Das hier könnte eine Möglichkeit dafür sein.
Und wer bis hierhin nicht abgeschaltet hat, bekommt nun ein paar meiner Modelle in 3D zu sehen (bitte eine rot/cyan-Brille aufsetzen und zur Vergrößerung auf das jeweilige Bild klicken).






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