Mit Anspruch auf unvollständige Aufzählung

Kennen Sie das Gefühl, nur von Nieten umgeben zu sein? Gegenteiliger könnte das Synonym gar nicht verwendet werden, denn wo mit ihnen (den Nieten auf zwei Beinen) im richtigen Leben alles auseinanderbricht, halten sie (die Nieten aus Metall) technisch den Laden fest zusammen.

Nieten verschiedener Materialien und Nietwerkzeug

Und auf beide möchte man manchmal draufschlagen. Bei den einen zwingend erforderlich, bei den anderen verboten. (Oder lassen Sie sich einfach nur nicht erwischen dabei!)

Fügeverbindungen durch Vernietung können nicht zerstörungsfrei gelöst werden. Meist ist ein manueller Materialabtrag nötig, der eine Wiederverwendbarkeit ausschließt. Während die kleineren Nieten, über die wir hier reden und die u. a. für Handschellen verwendet werden, kalt verformt werden, geht das bei den größeren Versionen, die z. B. LKW-Rahmenteile zusammenhalten, nur noch mit glühender Hitze.

Über welche Größen und Maße reden wir hier? Über die Zeit hinweg kaufte ich einen kleinen Vorrat zusammen, um möglichst die gängigen Modelle zu bedienen bzw. nach der Öffnung wieder verschließen zu können. Bisher wiederkehrend hatte ich mit den Größen 2, 2,5, 3 und 4mm zu tun in den Ausführungen Halbrundniete (DIN660), Senkniete (DIN661) und Flachrundniete (DIN674). Wichtig wäre auch noch ein Zwischenmaß von 3,5mm, aber das wirkt wie ausgestorben bzw. scheint nicht mehr erhältlich zu sein. So muss ich die Verschlussbügelnieten für Clejuso-Modelle (meist ca. 3,6mm bzw. 9/64“) auf der Drehmaschine aus 4mm Nieten formen.

verschiedene Niete
Verschiedene Senk-, Halbrund- und Flachrundniete

Ok, wie bekomme ich die kleinen Dinger raus, bzw. wie finde ich sie überhaupt? Bei einigen Modellen werden die Nietköpfe nach dem Fügen nämlich sauber verschliffen und sind, wenn sorgfältig genietet und vernickelt wurde, hinterher nahezu unauffindbar. So auch bei meinen Alcyon 1972 – das Setzen eines korrekten Körnerschlags war ein Ratespiel. Glücklicherweise war das nur Schrottware, die für genau solche eine Aktion gelegen kam. An Sammlerstücken hätte ich das so nicht ausprobieren wollen. Jedenfalls zeigte sich erst durch die Materialstauchung der Rand der verbliebenen Nietkopfes oder besser gesagt: dem verschliffenen Rest davon.

Als Nietenmaterial lernte ich schon Aluminium (haben die 5-Euro-Billig-Plüsch-Teile aus Fernost), Stahl sowie auch Edelstahl (meist für Verschlussbügelnieten eingesetzt) kennen. Aber auch Nieten-Fakes gibt es (das Zink-Druckguss-Zeug, ebenfalls aus Fernost, siehe Bild).

Ich empfehle bei (Edel-)Stahl dringend Bohrer mit Cobalt-Gehalt, da Billigbohrer hier sehr schnell das Zeitliche segnen und abbrechen.

Wer schleifet und doch nichts findet

Die Aktion, eine Niete fachgerecht zu entfernen, steht und fällt mit dem sauberen und absolut mittigen Ankörnen des Nietkopfes zum nachfolgenden Aufbohren. Lieber zuerst einen leichten Schlag setzen, der sich dann durch Schrägstellen des Körners beim nächsten Schlag noch zu einer Richtung korrigieren lässt. Alternativ ließe sich eine Feinfräse einsetzen, bei der das Festspannen des zu öffnenden Teils inklusive der Einstellung des Koordinatentisches ebenso akkurat vollzogen werden muss, wie der vorangegangen erwähnte Körnerschlag, falls nur eine (Stand-)Bohrmaschine bereitsteht.

Norm Screenshot
Nachschlagewerke

Ist der Durchmesser der Niete vor dem Bohren noch unbekannt, empfiehlt sich einerseits ein Blick in die Normen (soweit vorhanden; von Kopfgröße auf Durchmesser schließen) oder das peinlich genaue Entfernen des Nietkopfes, ohne das Materials des Schlosskastens abzutragen. Als ich meine ersten Clejusos aufbohrte… nun ja, forsch den 3mm Bohrer verwendet und durchgezogen. Nur um hinterher festzustellen, dass dort 2,5mm Nieten verbaut waren. Die Nieten waren weg, ein Teil des Grundmaterials des Schlossträgers leider auch. Schwierig wird es bei Edelstahl-Verschlussbügel-Nieten, die manuell gestaucht wurden, also deren Kopf eine Vielzahl von ungleichmäßigen Flächen zeigt. Damit hier ein Werkzeug nicht verläuft, ist im ungünstigsten Fall vorher plan Material abzunehmen, entweder durch Feilen oder mittels Fräskopf.

CL9THS VBNiet original
Jede Abplattung erzählt eine kleine Geschichte

Ist der Nietkopf bündig entfernt, kann zumindest auf die Dimension der Niete und des zu verwendenden Bohrers geschlossen werden. Das jetzige, voreilige Durchtreiben mittels Dornes und Hammer weitet das Material mitunter nur noch mehr auf als es beim Nietvorgang schon geschah. Der Niet sitzt ja nicht lose drin und wartet nur drauf, herauszufallen, sobald die Köpfe ab sind. Klar, die Einzelteile der Handschelle lassen sich ggf. schon voneinander trennen, nur stecken die Nietreste noch im Grundmaterial fest.

Schlossträger
Der Rest muss auch noch raus

Meine Vorgehensweise bisher, ohne Anspruch darauf, dass dies die beste Methode ist, was Innenteile und -flächen betrifft: Überstehende Reste mit einem Handschleifer/-fräser bündig abschleifen, durch Bohren weiteres Material des ursprünglichen Nietes entfernen und dann den Rest vorsichtig durchtreiben mit einem guten Dorn. Dabei auf eine qualitative Ablagefläche als Gegenlager achten, denn nichts ist ärgerlicher, als nach der erfolgreichen Entfernung des Nietrestes zu merken, dass man sich das aufliegende Gehäuse oder zumindest die untenliegende Seite total zerkratzt hat.

Bei Senknieten ist auch Folgendes möglich: Durchbohren bis ungefähr vor den gegenüberliegenden Kopf, diesen dann mittels Dorn und Hammerschlägen nach unten herausbrechen, danach noch den oberen Kopf herausbrechen. So gemacht mit meinen CL(2)19R, d. h. der CL19R, die ich zu einer Rigid-Version umbaute und bei der vier der ursprünglichen Befestigungen weichen mussten zum Anbringen des Gehäuses.

Senkniete entfernen
Senkniete entfernen, eine mögliche Methode

Irgendwann wird es dann bestenfalls Zeit für den Zusammenbau. Zur Funktionsprüfung habe ich mir angewöhnt, zuerst alle Teile miteinander zu verschrauben (Schrauben, Unterlegscheiben und Muttern für alle Größen zwischen M2 und M4 dafür griffbereit). Erst wenn mechanisch alles klappt, entferne ich eine Schraube, setze dafür den passenden Niet ein und stelle die letztendliche Verbindung her, dann die nächste, usw. Hier ist auf den korrekten Überstand zu achten, damit bei der Verformung genauso viel Material zur Verfügung steht, um den zur Verfügung stehenden Raum auszufüllen. Bei einer Senkniete heißt das, nach einer Verpressung eine bündige Oberfläche zu erzeugen, bei einer Halbrundniete sollte im Werkzeug (Nietdorn) ein ansehnlich geformter Nietkopf entstehen.

CL19R testweise zusammengebaut
Um zu schauen, ob alles funktioniert

Als Nietkopfformer kommen (Niet-)Hammer, Nietsetzer und -dorne, Radial- oder Orbital-Nietmaschinen in Betracht. Letztere besitze ich leider nicht, jedoch gibt es viele sehr anschauliche Youtube-Videos dazu, die durch die Suchfunktion aufgefunden werden können. Ich beschränke mich zwangsläufig eher auf das handwerkliche Anfertigen einer Nietverbindung. In den Normen findet man Angaben zum Materialüberstand, welche sich jedoch nicht immer als praktikabel herausgestellt haben. Auch ist anzuraten, das zu vernietende Ende vorher anzufasen, da sich hiermit der Materialfluss besser kontrollieren lässt. Die ersten Schläge zur Stauchung und Nietkopfformung führe ich mit einem Niet- oder Karosserie-Hammer durch. Danach kommt bei Senknieten zur Glättung und finalen Kopfformung ein normaler Dorn mit einer einwandfreien Kopffläche zum Einsatz. Bei Halbrundnieten wird die Formung mittels dafür extra geformten Nietdorn erledigt. Auch bei dieser Arbeit sollte auf eine passende Unterlage geachtet werden, die das Werkstück, in diesem Fall die Handschelle, möglichst weitgehend und kratzfrei aufliegen lässt und den im ersten Moment noch losen Niet ohne Spiel in seiner endgültigen Position hält. Bei rundlich geformten Nietköpfen ist meist noch eine entsprechende Negativ-Unterlage fällig, da wir uns sonst den untenliegenden Nietkopf platthauen, was sehr unschön aussieht. Ich z. B. habe mir für diesen Fall Druckstücke mit für den Nietkopf passender, rundlicher Einbuchtung gefräst, es soll wohl aber auch mit Messingronden gehen, in die vorher mit ein paar zu opfernden Nieten eine entsprechende Vertiefung eingeschlagen wird.

CH9THS fertig vernietet
Fertig vernietet und funktionsfähig

Und wenn dann hinterher auch noch alles funktioniert, unbeschädigt ist und gut aussieht, scheint man irgendetwas richtig gemacht zu haben.

Noch ein Fun-Fact zur deutschen Sprache: Ich fand tatsächlich „der/das Niet“ und „die Niete“ (jeweils Singular) und „die Niete“ und „die Nieten“ (beides Plural) in einschlägigen Rechtschreibportalen. Es scheint, dieser Metallbolzen ist genau das, was unsere lustvoll gendernde Politikerkaste sich wünscht. Nieten wollen Niete – der Kreis schließt sich.