Na ja, vom Preis her sind sie sicherlich kein Spielzeug, auch wenn sie von der Zahnstange her spontan so anmuten. AlfaProj ist eine tschechische Firma, die eigentlich Schusswaffen herstellt. So wie Smith&Wesson, die als „Nebenprodukt“ auch Handschellen in ihrem Portfolio bieten.

Wie kommt man darauf, sich solche Exoten zuzulegen? Der persönliche Grund des Erwerbs: Diese Handschellen sind EXTREM LEICHTGÄNGIG was das Durchlaufen der Schlossmechanik angeht. Und diese Worte sind nicht nur zum Witz großgeschrieben! Stoppt kein zu fesselndes Handgelenk den Weg des Bügels, kann man diesen mit etwas Energie eine Ehrenrunde drehen lassen, bevor die Zahnstange klickend ihren Endpunkt erreicht. Wer darauf steht, beim Anlegen die Handschelle auf das Handgelenk zu schlagen, um die Rotation des Bügels auszulösen, wird mit den 9921’ern (und anderen 992x-Modellen) tendenziell keine blauen Flecken hinterlassen. Meines Erachtens bisher ein Novum in der Handschellen-Technik-Welt.
Ein weiteres Feature ist die zweigeteilte Sperrklinke, d. h. zwei Klinken greifen parallel ein, was einen zusätzlichen Sicherheitskomfort darstellt (wobei es dabei auf die Perspektive ankommt: Vor- oder Nachteil?) Die Schellen-Innenbreite von 55mm geht über den Standard deutlich hinaus und lässt schmalen Handgelenken noch genügend Platz zum Tango tanzen. Leider verjüngt der Bügel bei zunehmender Schließung diesen Freiraum nicht, so wie man es z. B. von ASP-Handschellen her kennt.

Dieser Typ wird mit zwei Flachschlüsseln geliefert. Nein, keine Angst, sie brechen definitiv nicht ab! Einer der 1,5mm starken Schlüssel wurde leider ein etwas verbogen geliefert. Wider Erwarten ließ sich dieser Umstand mit normaler Fingerkraft nicht beseitigen, so dass ich doch etwas Vertrauen in die Haltbarkeit dieser Schlüssel entwickelt habe, welche mich an die der Clejuso-Behördenmodelle (9, 119SH, 209) erinnern.
Genauso wie die mitgelieferten Gegenstände zum Entfesseln (die Schlüssel), machen auch die Handschellen selbst einen soliden und stabilen Eindruck. Die Oberfläche ist gleichmäßig geformt und beschichtet. Bemerkenswert ist die Verwendung von nur einem Kettenglied zwischen den Schellen, suggeriert diese Bauform doch eine gewisse Restriktion. So relativiert sich dies jedoch wieder aufgrund der Breite der Schlosskästen. Mit einer gemessenen Gesamtlänge von 241mm liegen diese Handschellen sogar noch hinter den Clejuso 11 mit 240mm.
Was hat das denn alles gekostet? Nicht wenig! In manchen, lichten Momenten gilt es, sich den Preis durchaus schönzureden. Vom Anbieter wurden die Handschellen im Shop für 62,70 Pfund angeboten. Plus den Versandkosten von 13,64 Pfund ergeben sich zusammen- und zum Zeitpunkt des Kaufs umgerechnet 95,79 Euro. Als Wegelagerer wollte der Zoll dann noch 6,85 Euro haben und DHL nochmal 6 Euro dafür, dass es die besagten 6,85 EUR vorgestreckt hat (imho eine Frechheit). Die Gesamtkosten beliefen sich somit auf 108,64 EUR. Für die gebotene Technik ein sehr stolzer Preis. Insbesondere, wenn man sich der Tragödie letzter Teil antut, siehe unten. AlfaProj in CZ betreibt übrigens auch einen eigenen Webshop und ist sich seiner Exklusivität offenbar bewusst. Dort möchten die Tschechen (zum Zeitpunkt der Recherche) umgerechnete 95 Euro für diese Handfesseln einnehmen.

Kennen Sie auch diese Rubrik „Irgendwas ist ja immer“? So auch leider in diesem Fall. An einer der Schellen ließ sich, wenn sich der Bügel in der letzten oder einer der letzten Rasten befand, der Double-Lock nicht über seinen kompletten Weg betätigen. Es gab dort einen mechanischen Widerstand auf der defekten Seite (vergleiche die möglichen Einsteckweg der Schüsselspitze im Bild). Zwar war die Handschelle auch schon in dieser Position ge-double-lock’t, wurde dieser Punkt aber überwunden, konnte es zu Problemen beim Entriegeln kommen. Praktisch sah dies beim ersten Auftreten so aus, dass der Schlüssel in beide Richtungen sperrte. Liebevolles Hin- und Herbewegen konnten diese Situation zwar lösen, aber bei Folgeversuchen (insbesondere mit dem aus dieser Situation gelernten Wissen) stellt sich heraus, dass der Schlüsselbart so gerade eben die Mechanik zur Entriegelung des Double-Locks im Schloss nicht ergreift. Ein wie immer „unglückliches Zusammenspiel verschiedener Toleranzen“? Vielleicht. Der Verkäufer in UK stellte bei Rückfragen erstmal auf 1-Satz-Betrieb um. Wobei ich denke, dass dies sowieso seine Standard-Kommunikationsart war. Eine weitere Nachfrage beim Kundendienst von AlfaProj führte ebenfalls zu keinem befriedigendem Ergebnis. Man war bemüht, blieb aber auf Distanz. Natürlich war die Beanstandung nicht bekannt…
Leider ist mir, dem Autor dieser Seite und auch Website, bis heute kein Shop in Deutschland bekannt, der AlfaProj-Handschellen führt. Innerhalb der EU war im Nachhinein nur ein Shop aus der Slowakei auffindbar. Daher erfolgte die Bestellung im nunmehr EU-Ausland, was im Fall einer Reklamation grundsätzlich Diskussionsbedarf bezüglich der Übernahme von Zoll- und Versandkosten erzeugt. Der Verkäufer in UK war zumindest ohne weiterführende Diskussion bereit, 20% des Kaufpreises als Minderung zu erstatten. Immerhin. Hoffen wir, dass Europa nicht allgemein auf den Nach-mir-die-Sintflut-Modus umstellt in puncto Qualität.
Eine ausführlichere technische Vorstellung bezüglich der Abmaße und Detail-Bildern folgt.